.

Rechtsverordnung zum Kirchlichen Gesetz über die kirchlichen Stiftungen im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden
(StiftungenRVO - StiftRVO)

Vom 15. Mai 2024 (GVBl., Nr. 72, S. 141)

Der Landeskirchenrat hat nach § 18 des Kirchlichen Gesetzes über die kirchlichen Stiftungen im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden (Kirchliches Stiftungsgesetz – KStiftG) vom 21. Mai 2021 (GVBl. Teil I, Nr. 36, S. 99) folgende Rechtsverordnung erlassen:
####

§ 1
Errichtung von kirchlichen Stiftungen

Der Evangelische Oberkirchenrat soll die Stifterin oder den Stifter im Vorfeld des Stiftungsgeschäfts über die verschiedenen Formen einer kirchlichen Stiftung (rechtsfähig, nicht rechtsfähig, Stiftung öffentlichen Rechts, Stiftung bürgerlichen Rechts, Ewigkeitsstiftung, Verbrauchsstiftung), gegebenenfalls mit zweckgebundenen Stiftungsfonds, den Zweck, die Vermögensausstattung, die Gestaltung der Stiftungsorgane, den Inhalt einer Stiftungssatzung und die Bedeutung der Unterstellung der Stiftung unter die Kirchliche Stiftungsaufsicht beraten. Bei einer kirchlichen Stiftung, die durch ein Stiftungsgeschäft von Todes wegen errichtet werden soll, gilt dies gegenüber dem zur Errichtung der Stiftung Verpflichteten entsprechend.
#

§ 2
Vermögensverwaltung / Anlagerichtlinien

( 1 ) Die Vermögensverwaltung kirchlicher Stiftungen richtet sich nach den Bestimmungen dieser Rechtsverordnung, soweit sich aus der Stiftungssatzung nichts anderes ergibt. Daneben gilt für die Vermögensverwaltung nicht rechtsfähiger kirchlicher Stiftungen das Kirchliche Gesetz über die Vermögensverwaltung und die Haushaltswirtschaft in der Evangelischen Landeskirche in Baden (KVHG).
( 2 ) Um eine Stiftung im Sinne des § 9 Abs. 1 KStiftG sparsam, wirtschaftlich und sicher zu verwalten, ist die Vermögensverwaltung darauf auszurichten,
  1. mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Erfüllung laufender Verpflichtungen ein angemessenes Verhältnis zwischen Liquidität, Sicherheit und Rentabilität der Finanzanlagen zu erreichen;
  2. dem Grundsatz der Erhaltung des Grundstockvermögens Rechnung zu tragen und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sicherheit und Liquidität der Vermögensanlagen gerecht zu werden, wobei das Grundstockvermögen – unbeschadet des § 10 Abs. 2 KStiftG – in seinem nominalen Wert zu erhalten ist;
  3. bei der Wahl der Finanzprodukte und Vermögensanlagen eine ausreichende Diversifikation hinsichtlich Anlageart und Laufzeit herzustellen;
  4. nachhaltig zu sein im Sinne der Grundsätze, die in dem „Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils aktuellen Fassung niedergelegt sind;
  5. Finanzprodukte und Vermögensanlagen nur mit Rücksicht auf Sachverstand, Erfahrungen und Kenntnisse der Mitglieder der Stiftungsorgane auszuwählen;
  6. die Verwaltungskosten möglichst niedrig zu halten.
( 3 ) Die rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen sollen Anlagerichtlinien erstellen. Dies gilt nicht für die Ortsfondsvermögen nach § 3 KStiftG. Die Anlagerichtlinien legen die Kriterien für die Auswahl von Vermögensanlagen und die Grundsätze der Vermögensbewirtschaftung fest und berücksichtigen dabei die allgemeinen Grundsätze nach Absatz 2. Die Anlagerichtlinien sollten für das Portfoliomanagement eine Anlagematrix (Zuordnung der ausgewählten Vermögensanlagen zu Risikoklassen) enthalten. Sie sind mindestens jährlich auf Aktualität hin zu überprüfen; die Überprüfung ist schriftlich zu dokumentieren.
( 4 ) Die Kirchliche Stiftungsaufsicht stellt den rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen einen Leitfaden zur Vermögensverwaltung und zur Erstellung der Anlagerichtlinien sowie Muster zur Verfügung.
( 5 ) Folgende Anlageprodukte oder Anlagebestandteile sind grundsätzlich nicht zulässig:
  1. Kapitalanlagen, die den Einsatz von Leverage in beträchtlichem Umfang oder Leerverkäufe vorsehen;
  2. Derivategeschäfte;
  3. unregulierte Produkte, die nicht von einer staatlichen Stelle kontrolliert und beaufsichtigt werden.
( 6 ) Die Anlageprodukte nach Absatz 5 a) bis c) sind ausnahmsweise unter den folgenden Bedingungen zulässig:
  • Das für die Kapitalanlageentscheidung zuständige Gremium der Stiftung hat Sachverstand, Erfahrungen und Kenntnisse im Sinne des Abs. 2 e) nachgewiesen und mit Rücksicht darauf in den Anlagerichtlinien Anlagen im Sinne des Satzes 1 bewusst vorgesehen,
  • die Eingehung des jeweiligen Risikos wurde schriftlich begründet und
  • das Risiko wird dahingehend begrenzt, dass der Anteil am Anlagebestand 10 Prozent nicht übersteigt. Dies muss in einer Anlagematrix nach Absatz 3 zum Ausdruck kommen.
( 7 ) Eine Direktanlage in Einzeltitel soll unterbleiben. Erwägt eine Stiftung dennoch in einen Einzeltitel zu investieren, muss die Bonität (Kreditwürdigkeit) des Emittenten eines Wertpapiers, insbesondere einer Anleihe oder Aktie, zum Kaufzeitpunkt ein „Investment-Grade“ (sehr gute oder gute Bonität) aufweisen. Dabei sollen die Bewertungen anerkannter Ratingagenturen (z.B. Moody’s, Standard & Poor’s, Fitch oder Scope) herangezogen werden. Bei Anlagen in Fonds ist auf eine ausreichend breite Streuung der enthaltenen Einzeltitel, etwa in Bezug auf Investmentarten, die Größe des Emittenten, Branchen und Regionen, zu achten. Gleiches gilt für die Vermögensstrukturierung bei Direktanlagen. Währungsrisiken sollten vermieden oder abgesichert werden.
( 8 ) Sind unzulässige Wertpapiere bereits durch die Stiftungsgründung oder aufgrund einer Zustiftung im Grundstockvermögen enthalten, soll auf eine mittelfristige Reduzierung des Anlagerisikos hingewirkt werden, wobei hierbei der Stifterwille zu beachten ist. Bereits im Stiftungsvermögen vorhandene Wertpapiere, insbesondere Aktien oder Anleihen, deren Emittenten kein „Investment Grade“ aufweisen, dürfen nach Abwägung der Risiken bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden; Gleiches gilt bei einer Herabstufung durch die Ratingagenturen. Nach Möglichkeit sind die in Satz 1 und 2 genannten Wertpapiere schon früher zu veräußern, sofern dies nicht grob unwirtschaftlich ist.
( 9 ) Bei Einlagen (zum Beispiel Girokonten, Sparbüchern, Tagesgeld, Festgeld oder Sparbriefen) ist das Einlagensicherungssystem der entsprechenden Bank oder Versicherungsgesellschaft abzufragen und zu dokumentieren.
( 10 ) Die Übertragung der Vermögensverwaltung an Dritte ist grundsätzlich zulässig. Diese muss zwingend den Anlagerichtlinien der Stiftung und den Vorgaben dieser Rechtsverordnung genügen.
( 11 ) Die Anlageentscheidungen sind schriftlich zu dokumentieren.
#

§ 3
Rechnungslegung

( 1 ) Nach § 10 Abs. 4 KStiftG haben die kirchlichen Stiftungen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung Rechnung zu führen. Sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, ist Rechnungs- und Geschäftsjahr das Kalenderjahr.
( 2 ) Vermögensgegenstände und Schulden sind nach den §§ 6 und 7 KVHG zu bewerten, soweit die Bewertung nicht nach dem Handelsgesetzbuch erfolgt. Daneben gelten die folgenden Grundsätze:
  1. Richtigkeit und Willkürfreiheit,
  2. Klarheit und Übersichtlichkeit,
  3. Vollständigkeit und Saldierungsverbot (Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen nicht mit Erträgen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden).
( 3 ) Zur Erhaltung von Immobilienvermögen sind ausreichende Rückstellungen oder Rücklagen zu bilden.
( 4 ) Sofern eine Stiftung keinen kaufmännischen Jahresabschluss erstellt, ist die Jahresrechnung durch eine Einnahmen-Ausgabenrechnung in Form einer Einnahmen-Überschussrechnung mit einer Vermögensübersicht darzustellen.
( 5 ) Die Stiftungen erhalten auf Antrag von der Kirchlichen Stiftungsaufsicht
  1. ein Merkblatt mit Erläuterungen zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und den wesentlichen Bestimmungen der Abgabenordnung;
  2. ein Muster einer Einnahmen-Überschussrechnung, welches nach den Erfordernissen der Stiftung anzupassen ist;
  3. ein Muster einer Vermögensübersicht, welche es der Kirchlichen Stiftungsaufsicht gestattet, den Erhalt des Grundstockvermögens zu überprüfen.
( 6 ) Der Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks kann auch durch Vorlage entsprechender Protokolle der Sitzungen der Stiftungsorgane erfolgen, wenn sich daraus ergibt, wie der Stiftungszweck erfüllt worden ist.
#

§ 4
Kirchliche Stiftungsaufsicht

( 1 ) § 7 KStiftG und § 13 Abs. 2 KStiftG gelten nicht für die Ortsfondsvermögen nach § 3 KStiftG. Die Verwaltung und Rechnungslegung der Ortsfondsvermögen erfolgen durch die zuständige Kirchengemeinde im Rahmen der Haushaltsführung nach dem KVHG.
( 2 ) Die Kosten der von dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg in Auftrag gegebenen Veröffentlichungen im Staatsanzeiger sind von der betroffenen Stiftung zu tragen.
( 3 ) Die kirchliche Stiftungsaufsicht prüft die Rechtmäßigkeit der Stiftungsverwaltung, insbesondere die Erfüllung des Stiftungszwecks unter Beachtung des Stiftungsgeschäfts oder des Stiftungsaktes und der Stiftungssatzung sowie die Einhaltung des KStiftG und dieser Rechtsverordnung. Sie überwacht den Erhalt des Stiftungsvermögens und prüft die Vollständigkeit der nach §§ 2 und 3 vorzulegenden Unterlagen sowie deren Schlüssigkeit. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle der Anlagerichtlinien, Anlageentscheidungen und der damit verbundenen Haftungsrisiken der Stiftung findet nicht statt.
#

§ 5
Stiftungsverzeichnis

( 1 ) Die Kirchliche Stiftungsaufsicht führt ein Verzeichnis, in das alle rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen eingetragen werden. Dies gilt nicht für die Ortsfondsvermögen nach § 3 KStiftG.
( 2 ) Neben den Angaben nach § 8 Abs. 2 KStiftG sind in das Verzeichnis einzutragen:
  1. die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs mit Vor- und Zunamen und Titel,
  2. Aufhebung, Auflösung, Zusammenlegung und Erlöschen der Stiftung.
Nicht mehr gültige Eintragungen sind zu unterstreichen. Darauf ist bei der Erteilung von beglaubigten Abschriften hinzuweisen.
( 3 ) Die Kirchliche Stiftungsaufsicht erteilt auf Antrag beglaubigte Abschriften aus dem Stiftungsverzeichnis oder bescheinigt, wie und durch wen die Stiftung vertreten wird. Die Abschriften und Bescheinigungen sind in der Regel mit dem Siegel des Evangelischen Oberkirchenrats zu versehen. Kosten werden dafür nicht erhoben.
( 4 ) Neben dem kirchlichen Stiftungsverzeichnis nach § 8 KStiftG soll der Evangelische Oberkirchenrat eine Liste über alle nicht rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen im Sinne von § 2 Abs. 2 KStiftG führen.
#

§ 6
Anwendbarkeit

( 1 ) Für die Stiftung Schönau gilt § 2 nicht.
( 2 ) Für die nicht rechtsfähige Versorgungsstiftung der Evangelischen Landeskirche in Baden gilt § 2 Absätze 3 bis 11 nicht.
#

§ 7
Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsbestimmungen

( 1 ) Diese Rechtsverordnung tritt am 1. Juli 2024 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Rechtsverordnung für kirchliche Stiftungen zu § 93 KVHG vom 17. März 2005 (GVBl. S. 66) außer Kraft.
( 3 ) Soweit in Umsetzung des § 2 Anlagerichtlinien zu erstellen sind, muss dies innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Rechtsverordnung erfolgen.
( 4 ) Soweit sich aus § 2 Vorgaben für die Vermögenszusammensetzung ergeben, müssen diese von bestehenden Stiftungen spätestens drei Jahre nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Rechtsverordnung umgesetzt sein.