Rechtsstand: 01.05.2022

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Artikel 108

( 1 ) Soweit in dieser Grundordnung, einem kirchlichen Gesetz, einer Rechtsverordnung oder in der Geschäftsordnung der Landessynode nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Beschlussfassung und für Wahlen in den Organen kirchlicher Körperschaften folgende allgemeine Vorschriften:
  1. Die Organe kirchlicher Körperschaften können Beschlüsse fassen oder Wahlen vornehmen, wenn nach ordnungsgemäßer Einladung mehr als die Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist. Ist ein Mitglied bei Beratung und Entscheidung aufgrund einer Befangenheit ausgeschlossen, tritt eine Beschlussunfähigkeit wegen Fehlens dieses Mitglieds nicht ein.
  2. Beschlüsse sind gültig, wenn sie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten (absolute Mehrheit). Bei Stimmengleichheit ist der zur Entscheidung gestellte Antrag abgelehnt.
  3. Bei einer Wahl ist gewählt, wer im ersten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält (absolute Mehrheit). Sind mehrere Ämter zu besetzen und erreichen mehr Personen die absolute Mehrheit, als Ämter zu besetzen sind, sind diejenigen gewählt, die die meisten Stimmen erhalten.
  4. Kommt die absolute Mehrheit nicht zustande, so ist ein zweiter Wahlgang erforderlich. Im zweiten Wahlgang sind diejenigen Personen gewählt, die die meisten Stimmen erhalten haben (einfache Mehrheit), mindestens jedoch ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt haben. Das Gleiche gilt, wenn wegen Stimmengleichheit eine Stichwahl erforderlich ist.
  5. Eine Wahl ist in der Regel geheim mit verdeckten Stimmzetteln durchzuführen. Ein anderes Wahlverfahren kann beschlossen werden, wenn kein stimmberechtigtes Mitglied widerspricht. Das gilt nicht, wenn eine geheime Wahl gesetzlich vorgeschrieben ist.
( 2 ) Zu den abgegebenen Stimmen zählen auch die Enthaltungen und die ungültigen Stimmen.
( 3 ) Privatrechtlich organisierte kirchliche Personenvereinigungen sind nach ordnungsgemäßer Einladung unabhängig von der Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig. Im Übrigen finden Absatz 1 Nr. 2 bis 5 und Absatz 2 entsprechende Anwendung, soweit in der Satzung keine anderen Regelungen getroffen worden sind.
( 4 ) Bei kirchlichen Organen und Gremien, die nicht öffentlich tagen, können Beschlüsse im schriftlichen Verfahren gefasst werden, wenn Eilbedürftigkeit vorliegt. Der Antrag ist angenommen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder ihm zugestimmt und kein Mitglied eine mündliche Beschlussfassung beantragt hat.
( 5 ) Der Landeskirchenrat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für eine digitale Durchführung von Sitzungen, Beschlussfassungen und Wahlen zu regeln.
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A. Anwendungsbereich

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Artikel 108 Abs. 1 bis 3 entspricht wörtlich dem bisherigen § 138 GO, der diese Fassung durch das Vierzehnte Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 20011# erhalten hat. Absatz 4 wurde angefügt durch das Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 19. Oktober 2016.2# Der Artikel regelt in einer allgemeinen und für alle Organe kirchlicher Körperschaften verbindlichen Form die Frage der Beschlussfähigkeit und der notwendigen Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmungen und Wahlen.
2
Abweichende Bestimmungen können sich aus der Grundordnung3#, durch kirchliche Gesetze und Rechtsverordnungen sowie aus der Geschäftsordnung der Landessynode ergeben. Privatrechtlich organisierten kirchlichen Personenvereinigungen ist nach Absatz 3 außerdem freigestellt, in ihrer Satzung andere Regelungen über die Beschlussfähigkeit zu treffen.
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B. Beschlussfähigkeit

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Absatz 1 Nr. 1 regelt die Beschlussfähigkeit. Danach müssen nach ordnungsgemäßer Einladung mehr als die Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Mitglieder anwesend sein, um wirksame Beschlüsse zu fassen oder Wahlen vornehmen zu können.4# Die Beschlussfähigkeit muss zu Beginn der Sitzung festgestellt werden. Sie ist nicht mehr gegeben, wenn die erforderliche Zahl durch Abgänge während der laufenden Sitzung unterschritten wird. Eine erneute Feststellung der Beschlussfähigkeit ist notwendig, wenn sie bezweifelt wird.5#
4
Abweichend von Absatz 1 Nr. 1 bestimmt Absatz 3, dass die Organe privatrechtlich organisierter kirchlicher Personenvereinigungen6# unabhängig von der Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig sind.7# Diese Klarstellung ist notwendig, da es bei privatrechtlichen Vereinigungen eine bestimmte Anzahl gesetzlich vorgeschriebener Mitglieder nicht gibt und wegen der großen Zahl von möglichen Mitgliedern bei einer Mitgliederversammlung erfahrungsgemäß kaum je mehr als die Hälfte davon anwesend sind. Hinsichtlich der Beschlussfassung gelten aber auch für diese die Regelungen des kirchlichen Rechts, soweit die jeweilige Satzung keine anderen Regelungen enthält.8#
5
Da die Bezugsgröße für die Beschlussfähigkeit die Zahl der »gesetzlich vorgeschriebenen« stimmberechtigten Mitglieder eines Organs ist, ist die Sollzahl unabhängig davon zu bestimmen, ob alle Plätze auch tatsächlich besetzt sind. Die Berechnung der Zahl der gesetzlichen Mitglieder im Ältestenkreis der Pfarrgemeinde ist im Einzelnen geregelt in § 10 LWG. Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 wurde zur Klarstellung durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 24. Oktober 20189# eingefügt.
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C. Beschlussverfahren

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I. Grundsätze

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In Absatz 1 Nr. 2 ist geregelt, welche Mehrheit erforderlich ist, um einen gültigen Beschluss zu fassen. In Abweichung von der im Vereinsrecht gültigen Regelung, nach der für die Gültigkeit eines Beschlusses die sog. »einfache Mehrheit« maßgeblich ist10#, wird in kirchlichen Organen die sog. »absolute Mehrheit« verlangt. Die Bestimmung spricht zwar nicht mehr wie in der Fassung von vor 2001 davon, dass die Mehrheit »der anwesenden Mitglieder« für einen Beschluss gestimmt haben müssen. Durch den Klammerzusatz in Absatz 1 Nr. 2 und die Klarstellung in Absatz 2, dass auch die Enthaltungen zu den abgegebenen Stimmen zählen, wird jedoch deutlich, dass eine Änderung der Rechtslage durch die Neufassung nicht herbeigeführt worden ist. Die Tatsache, dass jetzt – wie im Vereinsrecht – die Mehrheit »der abgegebenen Stimmen« als Bezugsgröße gewählt worden ist, löst das frühere Problem, dass anwesende Personen sich möglicherweise an einer Abstimmung oder Wahl nicht beteiligen, z.B. bei einer geheimen Wahl keinen Stimmzettel abgeben. Diese »anwesenden« Personen rechnen bei der Ermittlung des Stimmenergebnisses also nicht mehr mit. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollten jedoch anwesende Personen, die sich an einer Abstimmung oder Wahl nicht beteiligen wollen, dies ausdrücklich erklären oder den Raum vor der Abstimmung verlassen.
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Der Unterschied zwischen der einfachen Mehrheit und der absoluten Mehrheit besteht darin, dass es bei der einfachen Mehrheit genügt, wenn der Beschlussvorschlag mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erhalten hat. Die Enthaltungen zählen also nicht mit. Bei der »absoluten Mehrheit« dagegen muss die Zahl der abgegeben Ja-Stimmen mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen, also einschließlich der Enthaltungen, betragen.
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In Absatz 2 wird ausdrücklich klargestellt, dass außer den Enthaltungen auch ungültige Stimmen zu den abgegebenen Stimmen zählen und damit für die Ermittlung der erforderlichen Stimmenzahl relevant sind.
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Die Regelung in Absatz 1 Nr. 2 hat den Sinn, Beschlüsse zu verhindern, die nicht von einer Mehrheit der Mitglieder des Organs positiv mitgetragen werden. Das Ziel ist also, einen möglichst großen Konsens herzustellen. Zugleich sollen die Abstimmungsberechtigten dazu motiviert werden, sich möglichst positiv oder negativ zu entscheiden. In der Praxis führt das Erfordernis der absoluten Mehrheit allerdings dazu, dass sich Enthaltungen im Ergebnis wie Nein-Stimmen auswirken. Mit anderen Worten, wer sich enthält, trägt im Ergebnis dazu bei, dass der Beschluss möglicherweise nicht zustande kommt.
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Die Regelung birgt außerdem die Gefahr, dass das Ergebnis der Abstimmung beeinflusst werden kann durch die Art, wie der zur Abstimmung gestellte Beschlussvorschlag formuliert wird. Deshalb ist durch die Person, die den Vorsitz führt, darauf zu achten, dass der Beschluss, für den eine Mehrheit notwendig ist, positiv zur Abstimmung gestellt wird. Das lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen:
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II. Anwendungsbeispiel

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In einem Ältestenkreis wird von einem Mitglied der Antrag gestellt, den Beginn des sonntäglichen Hauptgottesdienstes von bisher 9.30 Uhr auf 10.00 Uhr zu verlegen.11# Nach kontroverser Debatte stellt der Vorsitzende die Frage zur Abstimmung: »Wer ist dagegen, dass der Beginn des Gottesdienstes von 9.30 Uhr auf 10.00 Uhr verlegt wird?« Als Abstimmungsergebnis ergibt sich bei insgesamt 12 abgegebenen Stimmen: 4 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen. Der zur Abstimmung gestellte Antrag hat damit nicht die erforderliche Mehrheit. Die Folge davon ist, dass die Gottesdienstzeit von 9.30 Uhr auf 10.00 Uhr verlegt werden müsste, obwohl dafür im Ältestenkreis eine Mehrheit hätte vorhanden sein müssen, die durch die Enthaltungen nicht erreicht worden ist. Richtigerweise hätte die zur Abstimmung gestellte Frage deshalb lauten müssen: »Wer ist dafür, dass die Gottesdienstzeit von 9.30 Uhr auf 10.00 Uhr verlegt wird?« Bei gleichem Abstimmungsverhalten hätte dieser Beschlussvorschlag keine Mehrheit gehabt, sodass es bei der bisherigen Anfangszeit geblieben wäre. Wenn der Beschluss nur der einfachen Mehrheit bedurft hätte, wäre das Ergebnis in beiden Varianten der Fragestellung das gleiche gewesen, nämlich – wegen der überwiegenden Zahl der Befürworter – die Verlegung der Gottesdienstzeit auf 10.00 Uhr. Das Beispiel zeigt, dass Beschlüsse, die eine positive Mehrheit erfordern, bei Anwendung der Abstimmungsregel nach Absatz 1 Nr. 2 nicht in negativer Form zur Abstimmung gestellt werden dürfen, da sich die Enthaltungen unterschiedlich auswirken.
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III. Offene Abstimmung

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In Anlehnung an die Geschäftsordnung der Landessynode ist davon auszugehen, dass Abstimmungen in der Regel offen stattfinden.12# Wird eine geheime Abstimmung beantragt, handelt es sich um einen Geschäftsordnungsantrag, über den nach den Regeln von Absatz 1 Nr. 2 durch Mehrheitsbeschluss zu befinden ist.13# Die Durchführung einer geheimen Abstimmung bietet sich an, wenn im Beschlussverfahren eine Personalentscheidung zu treffen ist, bei der mehrere Personen zur Auswahl stehen.14#
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D. Personalentscheidungen

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I. Wahlverfahren

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1. Grundsätze

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Personalentscheidungen können entweder durch eine Wahl oder im Beschlussverfahren getroffen werden. Das Wahlverfahren ist in Absatz 1 Nr. 3 und Nr. 4 geregelt. Wichtig ist dabei zunächst der Hinweis, dass diese Regeln nur dann zur Anwendung kommen, wenn es sich tatsächlich um eine »Wahl« handelt. Das ist nur dann der Fall, wenn in der zugrunde liegenden Rechtsnorm das Wort »Wahl« oder »wählen« verwendet wird. Auf die Möglichkeit einer Auswahl kommt es dabei nicht an.15# Wie ein Beschluss erfordert eine erfolgreiche Wahl zunächst eine absolute Mehrheit. Kommt diese nicht zustande, gibt es aber bei einem Wahlverfahren mindestens einen weiteren Wahlgang16#, in dem diejenige Person gewählt ist, die die meisten Stimmen erhalten hat (einfache Mehrheit)17#, mindestens aber ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt hat.
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Das Mindestquorum ist eingeführt worden, um zu verhindern, dass bei einer großen Zahl von Enthaltungen eine Person mit einer sehr geringen einfachen Mehrheit im zweiten Wahlgang gewählt werden kann.18# Eine solche Konstellation kann sich insbesondere dann ergeben, wenn nur eine Person zur Wahl steht.19#
15
Kommt es im zweiten Wahlgang zu einer Stimmengleichheit, kann ein weiterer Wahlgang erforderlich sein. Die Möglichkeit, für diesen Fall eine Entscheidung durch das Los herbeizuführen, ist in der Grundordnung nicht vorgesehen.20#
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In Absatz 1 Nr. 5 wird bei Wahlen eine geheime Durchführung mit verdeckten Stimmzetteln als Regelfall vorgeschrieben, wovon nur abgewichen werden kann, wenn keiner der Wahlberechtigten widerspricht.21# Eine offene Wahl ist auch bei Einverständnis aller Wahlberechtigten nicht möglich, wenn die geheime Wahl gesetzlich vorgeschrieben ist.22# Das Wahlverfahren soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:
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2. Anwendungsbeispiel

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Auf der Tagesordnung eines Kirchengemeindesrates steht die Bestimmung eines neuen Vorsitzenden. Es kandidiert nur Pfarrer A. Bei der geheimen Abstimmung ergibt sich bei 12 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern folgendes Bild: 3 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen, 7 Enthaltungen. Damit hat Pfarrer A. die nach Absatz 1 Nr. 2 erforderliche absolute Mehrheit nicht erreicht. Da der Vorsitzende des Kirchengemeinderates nach § 23 Abs. 1 LWG »gewählt« wird, kommt es nach Absatz 1 Nr. 4 zu einem zweiten Wahlgang. Da im zweiten Wahlgang gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhalten hat und die einfache Mehrheit genügt, also mehr Mitglieder des Kirchengemeinderates für den Kandidaten gestimmt haben müssen als gegen ihn, wäre Pfarrer A. in dem Beispiel bei gleichem Ergebnis im zweiten Wahlgang gewählt, weil er diese Mehrheit erreicht hat. Verlangt wird aber in Absatz 1 Nr. 4 zusätzlich, dass der Kandidat mindestens ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt hat. Pfarrer A. hätte also im zweiten Wahlgang mindestens vier Stimmen für seine Wahl benötigt und ist deshalb bei diesem Beispiel nicht gewählt worden.
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II. Beschlussverfahren

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1. Grundsatz

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Soweit keine »Wahl« vorgeschrieben ist, finden Personalentscheidungen im Beschlussverfahren statt nach den Regeln von Absatz 1 Nr. 2. Das gilt auch dann, wenn mehrere Personen zur »Auswahl« stehen. Es findet also kein »zweiter Wahlgang« nach Absatz 2 Nr. 4 statt, wenn die Abstimmung nicht die erforderliche Mehrheit von mehr als der Hälfte der abgebenden Stimmen erbringt. Auch das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.
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2. Anwendungsbeispiel

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Auf der Tagesordnung des Kirchengemeinderates steht die Neubesetzung der Leitung des gemeindlichen Kindergartens. Der Kindergartenausschuss hat dafür Frau A. und Frau B. vorgeschlagen. Erhält bei der Abstimmung Frau A. 5 Stimmen und Frau B. 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen, hat keine der beiden die erforderliche Mehrheit. Bei einer Wahl würde es zu einem zweiten Wahlgang kommen, bei dem Frau A. bei gleichem Ergebnis mit einfacher Mehrheit gewählt wäre, weil sie eine Stimme mehr erhalten hat als Frau B. Da es sich bei der Einstellung der Leiterin eines Kindergartens aber um einen Beschluss handelt, kommt diese Regelung nicht zum Zuge. Selbst wenn der Kirchengemeinderat auf Antrag beschließt, eine zweite Abstimmung durchzuführen, bedürfte der Beschluss über die Einstellung von entweder Frau A oder Frau B nach wie vor einer Mehrheit von 7 Stimmen.
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E. Schriftliche Abstimmung

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Absatz 4 wurde eingefügt durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 19. Oktober 2016.23# Er ermöglicht jetzt für alle Organe kirchlicher Körperschaften, die nicht öffentlich tagen24#, eine schriftliche Abstimmung.25# Voraussetzung dafür ist, dass eine Eilbedürftigkeit besteht und kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit gibt es nicht, wie z. B., dass es sich um eine »einfache« Entscheidung handeln muss.26# Eine Frist für den Widerspruch gegen das schriftliche Verfahren gibt die Grundordnung nicht vor.27# Es spricht aber nichts dagegen, wenn mit dem Antrag auf eine schriftliche Abstimmung eine angemessene Frist nicht nur für die erbetene Rückmeldung, sondern auch für den Widerspruch gegen das Verfahren gesetzt wird.
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Der Beschluss kommt zustande, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder ihm zugestimmt hat.28# Dabei muss es sich um mehr als die Hälfte aller Mitglieder des Organes handeln. Anders als bei einer mündlichen Abstimmung nach Absatz 1 Nr. 2 genügt es also nicht, wenn dem Beschlussvorschlag derjenigen mehrheitlich zugestimmt haben, die sich an dem schriftlichen Verfahren beteiligt haben, auch wenn dies mehr als die Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Mitglieder gewesen sind. Die schriftliche Abstimmung erfordert also ein höheres Quorum, als dies bei einer mündlichen Abstimmung im Rahmen einer Sitzung der Fall wäre.
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Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist auch erfüllt, wenn die Abstimmung auf elektronischem Wege erfolgt. Eine telefonische oder sonst mündliche Zustimmung reicht aber nicht aus.
23
Die Entscheidung darüber, ob eine schriftliche Abstimmung stattfinden soll, liegt bei der Person, die auch für die Einberufung einer Sitzung verantwortlich wäre, d.h., die den Vorsitz in dem Organ führt.
24
Absatz 4 bezieht sich nur auf Beschlüsse. Die Durchführung von Wahlen auf schriftlichem Wege ist daher nicht möglich.29#
25
Auf privatrechtrechtlich organsierte kirchliche Organisationen ist Abs. 4 nicht anwendbar, so dass für schriftliche Abstimmungen die Regelungen des BGB anzuwenden sind. Sofern die Satzung dazu keine andere Regelung enthält, sind schriftliche Beschlüsse daher nach § 32 Abs. 2 BGB nur gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss erklären.
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F. Digitale Sitzungen

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In Art. 108 Abs. 5 wird durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung 2022 und weiterer Gesetz30# die Rechtsgrundlage für eine Rechtsverordnung des Landeskirchenrate geschaffen, die die Voraussetzungen für die digitale Durchführung von Sitzungen, Beschlussfassungen und Wahlen regeln soll. Die Umsetzung erfolgte durch die Rechtsverordnung zur Durchführung digitaler Gremiensitzungen vom 18. Mai 2022, GVBl. Teil I, Nr. 32, S. 81.

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1 ↑ GVBl. S. 61.
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2 ↑ GVBl. S. 226.
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3 ↑ Siehe oben: Art. 68 Abs. 1 und Art. 86 Abs. 1 GO (Beschlussfähigkeit der Landessynode und des Landeskirchenrates); Art. 59 Abs. 2 GO (verfassungsändernde Mehrheit); Art. 80 Abs. 2, Art. 86 Abs. 2 GO (Stichentscheid im Evangelischen Oberkirchenrat und im Landeskirchenrat).
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4 ↑ Zur Möglichkeit der Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nach Abs. 4 siehe unter Rdnr. 20 ff.
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5 ↑ Siehe: § 28 Abs. 1 GeschOLS (RS Baden Nr. 100.300).
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6 ↑ Das sind vor allem kirchliche Vereine.
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7 ↑ Nicht ausgeschlossen ist damit, dass in der Vereinssatzung auch eine andere Regelung getroffen werden kann.
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8 ↑ Zur Frage der Zulässigkeit einer Abstimmung im schriftlichen Verfahren siehe unten Rdnr. 25.
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9 ↑ GVBl. 2019, S.30.
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10 ↑ Siehe: § 32 Abs. 1 BGB.
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11 ↑ Zur Zuständigkeit des Ältestenkreises siehe: Art. 16 Abs. 3 Nr. 7 GO.
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12 ↑ Vergl.: § 31 Abs. 1 Satz 4 GeschOLS (RS Baden Nr. 100.300); siehe auch: § 37 Abs. 6 Satz 1 GemO BW.
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13 ↑ Für die Landessynode ist nach § 37 Abs. 3 ihrer Geschäftsordnung davon auszugehen, dass eine geheime Abstimmung nur stattfinden kann, wenn kein Mitglied der Landessynode oder der Evangelische Oberkirchenrat widerspricht, da es sich um eine Abweichung von der Regel der offenen Abstimmung handelt. In der Landessynode kann daher eine geheime Abstimmung durch eine Gegenstimme aus der Synode oder durch den Evangelischen Oberkirchenrat verhindert werden. Da die Geschäftsordnung der Landessynode nach Art. 42 Abs. 2 GO sinngemäß auch für die Bezirkssynode anzuwenden ist, gilt das auch für diese, soweit sie keine eigene Geschäftsordnung mit einer anderen Regelung beschlossen hat.
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14 ↑ Siehe: das Beispiel unten unter Rdnr. 20.
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15 ↑ Siehe: das Anwendungsbeispiel unter Rdnr. 17.
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16 ↑ Im Unterschied zu der Regelung in § 37 Abs. 7 Satz 4 GemO BW ist die Teilnahme an der Stichwahl nicht auf die beiden Bewerber beschränkt, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben.
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17 ↑ Durch den Klammerzusatz wird verdeutlicht, dass es nicht nur auf »die meisten Stimmen« ankommt, sondern die positiven Stimmen die Zahl der Gegenstimmen übersteigen muss, was vor allem dann praktisch werden kann, wenn im zweiten Wahlgang nur noch eine Person zur Verfügung steht.
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18 ↑ Theoretisch wäre das allein mit der eigenen Stimme möglich; vergl. dazu die Bemerkung des Berichterstatters Wendland: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 25. bis 28. April 2001, S. 57.
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19 ↑ Wenn nur ein Bewerber zur Verfügung steht, wird deshalb in § 37 Abs. 7 Satz 6 GemO BW auch im zweiten Wahlgang verlangt, dass dieser mehr als die Hälfte der Stimmen der anwesend Stimmberechtigten erhalten hat. Diese Regelung ist sinnvoll, sodass eine Übernahme rechtspolitisch erwogen werden sollte.
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20 ↑ So aber: § 37 Abs. 7 Satz 5 GemO BW; siehe auch zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses bei den allgemeinen Kirchenwahlen bei Stimmengleichheit § 75 Abs. 2 LWG (Anhang). Diese Regelung ist ohne Verstoß gegen die Grundordnung möglich, weil die allgemeinen Kirchenwahlen in Artikel 108 GO nicht geregelt sind.
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21 ↑ So auch: § 37 Abs. 7 Satz 1 GemO BW.
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22 ↑ Als Beispiele siehe: § 9 Abs. 1 Bischofswahlgesetz für die Wahl der Landesbischöfin bzw. des Landesbischofs; § 6 Abs. 2 Dekanatsleitungsgesetz für die Wahl der Dekanin bzw. des Dekans.
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23 ↑ GVBl. S. 226.
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24 ↑ Keine schriftliche Abstimmung ist daher möglich in der Gemeindeversammlung, im Kirchengemeinderat mit mehreren Pfarrgemeinden, in der Bezirkssynode und in der Landessynode. Siehe dazu Art. 110 GO.
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25 ↑ Das war früher nur in bestimmten besonders geregelten Fällen möglich, siehe Art. 86 Abs. 3 a.F. für den Landeskirchenrat.
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26 ↑ Siehe aber: § 37 Abs. 1 GemO BW, nach der über Gegenstände einfacher Art im Wege der Offenlegung oder im schriftlichen oder elektronischen Verfahren beschlossen werden kann; ein hierbei gestellter Antrag ist angenommen, wenn kein Mitglied widerspricht.
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27 ↑ Siehe aber früher Art. 86 Abs. 3 GO a.F., der für eine schriftliche Abstimmung im Landeskirchenrat für den Widerspruch eine Frist von einer Woche festlegte.
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28 ↑ Zu der Sonderregelung für den Landeskirchenrat vergl. bei Art. 86 Rdnr. 4
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29 ↑ Die Möglichkeit der Briefwahl bei den allgemeinen Kirchenwahlen ist davon nicht betroffen, weil diese nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 108 GO fallen.
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30 ↑ GVBl. 2022, Teil I, Nr. 39, S. 96.